Zwei Kinder sind anstrengender als ein Kind. Gut, das ist keine große Überraschung. Zwei Kinder machen mehr Arbeit, haben in Summe mehr Ansprüche. Dabei stellen sich viele Paare die Frage “Ein oder zwei Kinder” im Regelfall mehrfach. Vor dem ersten Kind wird darüber gesprochen, ob ein oder zwei Kinder zum Familienbild passen. Ist das erste Kind dann da, stellt sich die Frage im neuen Setting meist erneut. Ich warne ausdrücklich, alle Paare, die genau an diesem Punkt sind, sollten eventuell nicht weiterlesen. Die rosarote Brille könnte sonst fallen.
Die große Frage der dauerhaften Beziehung
“Liebling, willst du eigentlich Kinder?” Die Frage ist unausweichlich, in jeder Beziehung, die für ein längeres, vielleicht sogar lebenslanges Zusammenleben geplant ist. Schließlich möchte man zu einem noch vernünftigen Zeitpunkt wissen, ob der Partner über Kinder genauso denkt wie man selbst. Und sollten die Differenzen zu groß sein, will man noch am Markt attraktiv genug für einen Neuanfang sein.
Dabei ist die Antwort auf diese Frage geprägt von Unwissen und einem zu kleinen Vorstellungsvermögen, welche Verantwortung da auf einen zurollt. Ein oder zwei Kinder, steht dabei noch gar nicht im Raum. Erstmal geht es um Kinder im ganz Allgemeinen.
Entscheidet sich das Paar dann für Kinder in beliebiger und häufig auch noch nicht ausdiskutierter Anzahl, ist mit ein wenig Glück schnell das erste Kind auf dem Weg. Was dann folgt, ist in vielen Worten beschreibbar. Und doch wird es nicht im geringsten wiedergeben, auf was sich das Paar dort eingelassen hat. Das Leben wird vollständig auf den Kopf gestellt, Prioritäten verschieben sich und das Leben wird fremdbestimmt. Dafür sorgt bereits ein erstes Kind. Geschätzte und vor allem gefühlte neunzig Prozent der zur Verfügung stehenden Zeit werden von Sohnemann oder Töchterchen vereinnahmt. Da bleiben ja noch zehn Prozent für einen selbst und die Beziehung. Reicht. Meistens.
Erstes Kind gewuppt – und nun?
Unweigerlich wird sie kommen, die Frage nach einem Geschwisterchen. Wenn das eigene Kind noch nicht in der Lage ist, diese Frage ins Feld zu führen, macht das Umfeld dies unterschwellig oder auch sehr direkt. “Wollt ihr ein oder zwei Kinder?” Nicht alle sind so direkt, aber alle wollen es wissen.
Natürlich stellt man sich diese Frage auch als Paar, und nur da gehört die Frage auch hin. Durch die immer spätere Geburt des ersten Kindes bleibt der Zeitrahmen für die Entscheidung nach einem zweiten Racker relativ klein, zumindest verglichen mit der Zeit, die sich im Durchschnitt unsere Eltern mit der Entscheidung lassen konnten. Und so beginnt der Analytiker zu rechnen. Ein Kind nimmt 90 Prozent der Zeit in Anspruch, bleiben für das zweite Kind noch 10 Prozent Zeit übrig. Also erhofft man sich von Synergieeffekten beinahe eine Verdoppelung der Familienproduktivität. Woher dieser Optimismus kommt, erschließt sich mir nicht. Aber Gott sei Dank gibt es ihn, und so gab es ihn auch bei mir. Und so ist, wiederum mit Glück, auch Kind Nummer Zwei bald auf dem Weg.
Zweites Kind: 90 plus 90 gleich 100?
Ist der Säugling erst einmal auf der Welt, ist die Welt rosarot. Und rot, zumindest die unterlaufenen Augen, die nun gar keinen Schlaf mehr bekommen. Denn natürlich ging die Rechnung mit den Synergieeffekten nicht auf. Das erstgeborene Kind muss zurückstecken, auch wenn man sich noch so bemüht, diesen Effekt so gering wie möglich zu halten. Auch ein noch so geringer Verlust an Aufmerksamkeit ist und bleibt ein Verlust, den man lautstark beklagen kann, in welchem Alter auch immer.
Das Zweitgeborene hingegen gibt Vollgas im Sinne des frühen Säuglings: Alles wird mit Schreien eingefordert, und zwar immer und überall. Und auch wenn man vieles bereits kennt, macht es erstaunlicherweise immer noch Arbeit wie beim ersten Kind. Gelassenheit wird durch Müdigkeit gefressen.
Ein oder zwei Kinder, Frage stellt sich nicht
Oder besser, die Frage stellt sich nicht mehr. Ich möchte keines unserer Kinder auch nur eine Minute hergeben. In Ordnung, vielleicht einmal einen Tag an eine wirklich vertrauensvolle Person. Aber ein Leben ohne die beiden ist unvorstellbar.
Doch welcher Schritt hat nun eigentlich das Leben mehr verändert? Und welcher Schritt war anstrengender? Der Schritt von keinem Kind zum ersten? Oder vom ersten zum zweiten Kind? Die Frage habe ich im Bekanntenkreis viel herumgereicht und ein sehr unterschiedliches Bild eingefangen. Natürlich keinesfalls auch nur ansatzweise repräsentativ scheinen besonders Frauen das zweite Kind als eine nur geringe Mehrbelastung zu empfinden, während die Einschnitte durch das erste Kind enorm groß und als teilweise belastend empfunden wurden. Warum genau dies so ist, dazu konnte ich nicht wirklich eine konkrete Antwort bekommen.
Frauen und Männer mal wieder uneins
Bei Männern ist die Tendenz der Antwort komplett umgekehrt. Die meisten Männer sehen sich durch das zweite Kind deutlich mehr eingeschränkt als durch Kind Nummer eins. Mir geht es genauso. Natürlich war die Umstellung vom gemeinsamen No-Kids-Haushalt auf ein Kinderhort ein riesiges Unternehmen. Dennoch hatte ich das Gefühl, neben den neunzig Prozent für den Nachkommen immer noch meine zehn Prozent für mich zu haben, zu meiner freien Verfügung.
Kind Nummer Zwei füllt genau diese Lücke zielsicher aus und fordert noch mehr. Es mag nicht nachvollziehbar klingen, doch der Verlust der ersten neunzig Prozent der Zeit zerren weniger am Nervenkostüm als der Verlust der letzten zehn Prozent. Gar keine, überhaupt keine Zeit mehr für mich zu haben, hätte ich mir nicht so anstrengend vorgestellt. Genaugenommen habe ich mir gar nicht vorgestellt, dass es soweit kommt. Ich fühle mich in meiner Wahlfreiheit vollends eingeschränkt, und das ist nie wirklich gut.
Und jetzt? Ein oder zwei Kinder? Oder noch mehr?
Noch kinderlos und bis hierhin gelesen? Dann sei dir oder euch nochmal gesagt: Ich würde auf keines der beiden Lütten auch nur im geringsten verzichten wollen. Von Reue kann nicht im Ansatz die Rede sein, beide Kinder sind großartig. Sie sind eben auch anstrengend. Und ganz sicher würde ich mich wieder für zwei Kinder aussprechen, auch in dem Wissen um die Heftigkeit, die das nach sich bringt.
Wer noch mehr Kinder in die Welt setzen will, verdient meinen allerhöchsten Respekt. Ein wenig Selbstkasteiung allerdings muss ich unterstellen. Der kurze, halb-minütige Gedanke an drei oder vier Racker allerdings bringt mich sofort wieder zu der Erkenntnis, dass zwei doch eigentlich auch mal ganz pflegeleicht sein können…
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