Kind zur Schule bringen

Kind zur Schule bringen – bis wann?

Nun ist es bald soweit, und ich kann es immer noch nicht fassen. Innerhalb kürzester Zeit ist Sohnemann plötzlich ein Schulkind. Gut, es hat geschlagene sechs Jahre gedauert, aber die kamen mir nicht wie sechs Jahre vor. Vielleicht zwei, drei intensive Jahre. Aber sechs? Und wir müssen uns mit den Fragestellungen eines angehenden Schulkind auseinandersetzen: Welche Schultasche ist die Richtige? Turnbeutel oder Sporttasche? Und soll ich das Kind zur Schule bringen? Oder besser, bis wann?

Mitten in der Stadt tost der Verkehr auf den Straßen, gefühlt ist der zukünftige Schulweg von Sohnemann mit Fallstricken und täglicher Lebensgefahr nur so gespickt. Das ist natürlich Blödsinn. Zwar wohnen wir wirklich mitten in Köln, doch muss er zukünftig lediglich drei Straßen überqueren, zwei davon kleine Seitenstraßen, um die nahe gelegene Grundschule zu erreichen. Lediglich die Hauptstraße mit mittig fahrender Straßenbahn ist wirklich kritisch und verlangt höchste Aufmerksamkeit selbst von Erwachsenen. Einem Sechsjährigen ist die sicherlich nicht gegeben, hier ist viel Übung und Routine absolut notwendig.

Bis wann das Kind zur Schule bringen?

Sicherlich werde ich Sohnemann zukünftig in die Schule bringen, doch bis wann soll ich ihn begleiten? Ich selbst bin ebenfalls in Köln aufgewachsen, musste meinen ähnlich kurzen Schulweg aber nur durch ein ruhig gelegenes Wohngebiet und eine verkehrsbefreite Grünanlage bestreiten. Nach wenigen Tagen durfte und musste ich alleine los. Ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Tag, sehr wohl aber noch an Situationen, bei denen meine Eltern – aus welchen Gründen auch immer – ihr Kind zur Schule bringen wollten. Mit war das peinlich, ich wollte lieber alleine gehen, wie alle anderen Kinder auch, die teilweise deutlich weiter entfernt wohnten.

Passiert ist auf dem Weg nie etwas. Wobei dies auch nur die halbe Wahrheit ist. Es gab auf dem Weg häufiger körperliche Auseinandersetzungen mit anderen Kindern, die auf eine direkt benachbarte Schule für schwererziehbare Kinder gingen. “Sonderschüler” nannten wir sie und behandelten sie auch so. Political correctness war Anfang der 80er Jahre eher nicht groß geschrieben in einer katholischen Grundschule. Aber das ist ein anderes Thema. Ich kam auf jeden Fall immer unversehrt zuhause an, und zwar ganze vier Jahre lang.

Übung nicht nur in der Schule, auch auf dem Weg

Bin ich nun ein Rabenvater, wenn ich von meinem Kind verlange, nach einer angemessenen, gemeinsamen Übungszeit des Schulwegs diesen selbst zu bestreiten, statt jeden Tag mein Kind zur Schule bringen zu wollen? Setze ich sonst viel auf die Meinung unseres Bekanntenkreises, dem ich eine gewisse Schwarmintelligenz unterstelle, so ist das Bild hier erstaunlich einheitlich. Natürlich können Kinder selbst in die Schule gehen, sobald sie den Schulweg verinnerlicht haben. Und natürlich bringen alle, die diese Meinung haben, ihr Kind selbst zur Schule. Handeln und Meinung gehen zu fast einhundert Prozent auseinander. Die Argumente dafür sind vielfältig. Der Schulweg liegt ohnehin auf dem Weg zur Arbeit. Check, das gilt für mich auch. Der Schulweg ist zu unübersichtlich. Check, hatten wir schon. Der Schultag ist schon lang genug. Nun gut, das muss ich irgendwie gelten lassen, und auch wieder nicht. Sind zehn Minuten Fußweg (Kinder benötigen im Alleingang meist doppelt solange wie Erwachsene) gegenüber zwei Minuten mit dem Fahrrad oder sogar Auto entscheidend für einen langen Tag, der nicht noch länger werden soll?

Sehen wir der Wahrheit gnadenlos ins Gesicht: Eltern bringen ihre Kinder meist für das eigene Seelenheil zur Schule, nicht für die Kinder selbst. Dass das ein Fehler ist, wissen die meisten auch. Und dass ein Kind im Kindersitz eines Autos nie lernen wird, selbständig zur Schule zu gehen, sollte ebenfalls jedem Fahrer eines Familienautos morgens klar sein. Einzig der gemeinsame Fuß- oder Radweg, je nach späterer Fortbewegungsart des Kindes bei alleiniger Schulweg-Bewältigung, ist lehrreich und in den ersten Tagen, vielleicht auch Wochen, geboten wie sinnvoll.

Das gleiche gilt übrigens für den Rückweg, auch wenn das leichter gesagt als getan ist. Zukünftig werde ich nach meinem eigenen Arbeitstag eine halbe Stadtrundfahrt mit Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln machen müssen. Zuerst wird Töchterchen an der KITA eingesammelt, auf dem Rückweg geht es an der Schule vorbei, Sohnemann in Empfang genommen, dann nach Hause.

Konsequent bleiben, durchhalten!

Ganz schön inkonsequent, nicht wahr? Wäre es nicht viel sinnvoller, direkt mit Töchterchen nach Hause zu fahren und auf Sohnemann mit offenen Armen und prall gefüllten Kochtöpfen zu warten? Aber der Tag war doch schon so lang! Der innere Dialog mit mir selbst zeigt mir die gleiche potentielle Inkonsequenz, die ich meinem Bekanntenkreis beim Thema “Kind zur Schule bringen” eben noch unterstellt habe. Ich bin eben auch nur ein besorgter Vater. Und ich treffe hoffentlich bald die für das Kind beste Entscheidung. Da geht es lang, los jetzt, sonst kommst du zu spät! Sorry Sohnemann, du wirst selbständig!


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